Der Kernsatz aller Kritik am Bild stammt von Platon: Die Maler seien Nachahmer des Scheins, die Malerei stünde der Wahrheit fern (Politeia 597) und sei aus diesem Grund aus dem Staat zu verbannen.
Es drängt sich der Gedanke auf, Peter Rösel habe das Verdikt Platons über die lügenhafte Natur der Malerei im Sinn gehabt, als er sich entschloss, in Namibia Luftspiegelungen zu malen und damit die Spirale der Argumente um das Kriterium der Lügenhaftigkeit nicht nur des Mediums, sondern auch seines Gegenstandes weiter zu drehen. Was könnte Platon besser bestätigen als eine Malerei, die nicht nur selbst Augentäuscherei ist, sondern zu ihrem Gegenstand auch noch Phänomene wählt, die sich einer optischen Täuschung verdanken, als habe die Natur sie ersonnen, um auch den letzten Zweifler davon zu überzeugen, dass die uns sichtbare Welt eine der Erscheinungen, aber keine der Wahrheit sei?
Essentieller Bestandteil von Peter Rösels Fata-Morgana-Projekt war, tatsächlich in die Wüste Namibias zu fahren und zu versuchen, en plein air das Motiv festzuhalten. In der Folgezeit entkoppelte sich der Vorgang der Fertigstellung eines Gemäldes von der Arbeit vor dem Motiv, dessen Flüchtigkeit und Abhängigkeit von schnell wechselnden Lichtverhältnissen sein Erfassen schier unmöglich machte. Es erwies sich, dass die Erfahrung des Lichts, der Hitze, der keineswegs romantischen Weite und Trostlosigkeit der Wüste zwar Voraussetzung dafür war, diese Bilder malen zu können, dass die Arbeit vor dem Motiv aber keinesfalls Grundbedingung ihrer Authentizität war. Eine Gruppe der in Namibia entstandenen Gemälde auf Leinwand zeigt, bei gleichbleibendem Bildformat und beinahe identischer Flächenaufteilung, leere Landschaften, weite, fast eigenschaftslose, sandfarbene Flächen unter einem fahlen Himmel, Ebenen, in denen Hügel wie Inseln zu schwimmen scheinen oder an deren Horizont Luftspiegelungen perlmuttfarben schimmern.